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Politische Agitationsanzeige per einstweiliger Anordnung?

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Auch bei regionaler Monopolstellung besteht kein Kontrahierungszwang privatrechtlicher Presseorgane zum Abdruck von Zeitungsanzeigen einer politischen Partei.

Mit dieser Begründung hat es das Bundesverfassungsgericht abgelehnt, die Verlage der Thüringer Landeszeitung, der Ostthüringer Landeszeitung und des Allgemeinen Anzeigers mittels einstweiliger Anordnung zu verpflichten, die Anzeige einer im Thüringer Landtag mit acht Abgeordneten vertretenen Landtagsfraktion zu veröffentlichen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte den Antrag zunächst wegen unzureichender Begründung als unzulässig abgelehnt. Auf die Gegenvorstellung der Landtagsfraktion hat es sodann diesen ersten Beschluss aufgehoben und den Antrag erneut als unbegründet abgelehnt, da die Voraussetzungen für den Erlass der einstweiligen Anordnung nicht vorlagen.

Begründungs- und Darlegungserfordernisse[↑]

Das Bundesverfassungsgericht beurteilte den Antrag zunächst als unzulässig.

Ein Antrag nach § 32 Abs. 1 BVerfGG ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung substantiiert dargelegt sind. Dazu gehört auch die substantiierte Darlegung, dass der – gegebenenfalls noch zu stellende – Antrag in der Hauptsache weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet ist. Das Verfahren über eine einstweilige Anordnung ist immer nur ein Nebenverfahren in einem Verfassungsrechtsstreit, für den das Bundesverfassungsgericht nach Art. 93 GG, § 13 BVerfGG zuständig ist.

Eine § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügende Begründung der Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass der die Rechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorgetragen wird. Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer sich mit dieser inhaltlich auseinanderzusetzen. Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll. Zu einer ordnungsgemäßen Begründung in diesem Sinne gehört auch, dass der Beschwerdeführer die zum Verständnis notwendigen Unterlagen in Ablichtung vorlegt oder zumindest ihrem Inhalt nach so darstellt, dass eine verantwortbare verfassungsrechtliche Beurteilung möglich ist.

Hieran fehlt es. Die Landtagsfraktion hat zwar den angegriffenen Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 26.11.2015 vorgelegt, den ebenfalls angegriffenen Beschluss des Landgerichts Erfurt vom 19.11.2015 hat sie ihrem Antrag jedoch weder beigefügt noch dessen Inhalt hinreichend mitgeteilt. Zwar hat die Landtagsfraktion neben dem per Fax übersandten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eine mit Anlagen versehene E-Mail an das Bundesverfassungsgericht übersandt, die Übermittlung von Dokumenten per E-Mail genügt den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG indes nicht. Eine § 130a Abs. 1 ZPO entsprechende Vorschrift kennt das Bundesverfassungsgerichtsgesetz gerade nicht. Nach alledem ist eine verantwortbare verfassungsrechtliche Beurteilung nicht möglich.

Ohne Kenntnis der Entscheidung des Landgerichts Erfurt vom 19.11.2015 ist aber eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde unzulässig, da dies Voraussetzung einer Überprüfung der Verletzung der von der Landtagsfraktion geltend gemachten Verfassungsrechte ist.

Gegen diese, den Antrag als unzulässig ablehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wehrte sich die Landtagsfraktion am gleichen Tag mit einer Gegenvorstellung, auf die das Bundesverfassungsgericht ihren Beschluss aufhob, nachdem der Prozessbevollmächtigte der Landtagsfraktion eidesstattlich versichert hatte, auf den zuvor unternommenen erfolglosen Versuch, den Beschluss des Landgerichts Erfurt als Anlage zum Antragsschriftsatz per Fax zu übermitteln, die Faxeingangsstelle des Bundesverfassungsgerichts kontaktiert und die Auskunft erhalten zu haben, dass eine Übersendung der Anlagen mittels E-Mail ausreichend sei. Dieser Umstand rechtfertigte für das Bundesverfassungsgericht die Aufhebung des ersten Beschlusses sowie eine erneute Entscheidung.

Zulässigkeit einer einstweiligen Anordnung[↑]

Ein Antrag nach § 32 Abs. 1 BVerfGG ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung substantiiert dargelegt sind. Dazu gehört auch die substantiierte Darlegung, dass der – wie hier noch zu stellende – Antrag in der Hauptsache weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet ist.

Offensichtliche Unbegründetheit einer noch zu erhebenden Verfassungsbeschwerde[↑]

Gemessen hieran kann eine einstweilige Anordnung nicht ergehen. Der gestellte Antrag ist unbegründet, da eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde offensichtlich unbegründet wäre.

In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass die privatwirtschaftlich organisierte Presse bei der Auswahl der von ihr verbreiteten Nachrichten und Meinungen der Verpflichtung zu Neutralität nicht unterliegt. Anders als die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten dürfen Presseorgane auch den Abdruck von Anzeigen und Leserzuschriften einer bestimmten Tendenz verweigern, ohne dass darin eine unzulässige Beeinträchtigung der Freiheit der politischen Willensbildung läge, selbst wenn zugleich entgegenstehenden Meinungen Raum gegeben würde. Daran ändert auch eine regionale Monopolstellung nichts. Da politische Wettbewerber – nicht zuletzt aufgrund der Entwicklung der modernen Informationstechnologien – über vielfältige Möglichkeiten der Verbreitung von Informationen verfügen, bedarf es auch bei einer regionalen Monopolstellung eines Presseorgans keiner Einschränkung der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten verlegerischen Freiheit.

Nichts anderes kann vorliegend gelten. Selbst wenn den von der Landtagsfraktion bezeichneten und in privater Hand betriebenen Mediengruppen eine regionale Monopolstellung zukäme, kann hieraus eine Verpflichtung zum Abdruck von Anzeigen, die die Einladung zu einem „Bürgerdialog“ der Landtagsfraktion zum Gegenstand haben, mit dem ihr „Konzept zur Asyl- und Zuwanderungspolitik“ vorgestellt werden soll, nicht hergeleitet werden. Die Landtagsfraktion verfügt über sonstige Möglichkeiten, für die Veranstaltung in anderer Form zu werben und hat davon – wie ihr Internetauftritt zeigt – auch Gebrauch gemacht. Daher begegnen die diesbezüglichen Erwägungen in den angegriffenen Beschlüssen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 27.11.2015 – 2 BvQ 43/15


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